Die Welt schrumpft für E-Biker
Die Gemeinde der E-Biker wächst. Auch immer mehr junge Menschen satteln Pedelec und Co., nehmen längere Strecken in Angriff oder pendeln zur Arbeit. Die Generation E-Bike – sie ist generationenübergreifend geworden. Wir haben mit E-Bikern aus der Region gesprochen.
Wenn Klaus Leidemer bei seinem Arbeitgeber Evonik ankommt, winken ihm die Kollegen. „Bis gleich“, rufen sie, denn der Teamleiter braucht jetzt noch zehn Minuten, bis er zusammen mit den anderen seine Schicht beginnt. Klaus Leidemer strahlt. Gerade ist er 15 Kilometer mit seinem E-Bike zwischen Feldern gefahren, von Flörsheim-Dalsheim nach Worms. Das ist sein Arbeitsweg. Er fährt ihn zweimal täglich. „Frische Luft, zwitschernde Vögel, Sonnenstrahlen. Was kann man sich vor der Arbeit Schöneres wünschen?“, fragt der 51-Jährige. „Und natürlich auch auf dem Heimweg in den Feierabend. Aber jetzt erst mal duschen.“ Für die Strecke braucht er 20 Minuten. Der Flörsheimer fährt ein sogenanntes S-Pedelec mit Nummernschild. Der E-Motor unterstützt ihn bis maximal 45 km/h. Aber nur, wenn er tritt. „Das ist kein Mofa. Wenn ich nichts mache, macht das Fahrrad auch nichts“, erklärt er. Aber er kann den Motor auch abschalten und ohne Unterstützung fahren. „Das mache ich aber fast nie. Die Batterie reicht für etwa 80 bis 120 Kilometer. Je nach Einstellung.“
Weit entfernte Ziele? Kein Problem
Bei E-Bikes unterstützt der Elektromotor den Fahrer unterschiedlich stark, zum Beispiel, wenn er eine Steigung überwinden möchte oder um schneller zu fahren. „Das hat positive Auswirkungen. Plötzlich kann man weiter entfernte Ziele in Angriff nehmen. Die Welt schrumpft für E-Biker“, erzählt Carola Greiner. Sie ist eine reine Freizeitfahrerin und pendelt nicht zur Arbeit. „Von Bad Kreuznach nach Nieder-Olm wäre es mir täglich dann doch zu weit.“ Allerdings hat die 50-Jährige beruflich viel mit Fahrrädern zu tun. Bei der Rheinhessen-Touristik GmbH ist sie zuständig für das E-Bike-Mietnetzwerk der Region. „Wir stellen fest, dass die Nachfrage nach E-Bikes ständig steigt. Viele beginnen, indem sie ein E-Bike bei unseren Mietstationen ausleihen und testen. Und wer einmal damit gefahren ist, ist begeistert“, weiß Carola Greiner. Auch ihr Lebenspartner hat sich kürzlich ein E-Bike zugelegt, nachdem er es einmal ausprobiert hatte. Seitdem sind die Strecken der gemeinsamen Radtouren erheblich länger geworden. „Früher wären wir nie auf die Idee gekommen, mal von Bad Kreuznach über Ingelheim ins Rheingau und zurück zu radeln. Das sind hin und zurück 80 Kilometer.“
Pause machen, Akku aufladen
Damit das Radwegenetz in Rheinhessen auch für E-Biker immer attraktiver wird, werden mehr und mehr Ladestationen an wichtigen Knotenpunkten der touristischen Radwege eingerichtet. Dort können die Batterien kostenfrei aufgeladen werden. Die erste Radservicestation der Region eröffnete die Rheinhessen-Touristik jüngst in Monsheim am Bahnhof. Dort steht ein von EWR gesponserter „Ladeschrank“, bei dem Batterien zum Laden in verschließbare Fächer gelegt werden können. Platz ist auch noch für eine Tasche und es liegen Ladekabel für Mobiltelefone bereit. Direkt gegenüber steht eine Reparatursäule. Sie ist mit allem ausgestattet, was man für kleine Reparaturen braucht. „Meist ist das eine Korrektur der Sattelhöhe oder ein platter Reifen. Deshalb gibt es auch eine Pumpe“, erklärt der örtliche Radhändler Olaf Klein. Die Radservicestation ist ein Gemeinschaftsprojekt von Rheinhessen-Touristik, EWR und der Volksbank Alzey-Worms. Mit Blick auf die steigende Zahl an Radfahrern und E-Bikern soll dieser Service in den nächsten Jahren ausgebaut werden. „Wir merken in unseren Fahrradläden die steigende Nachfrage nach E-Bikes. Die Nutzer werden auch immer jünger. E-Bikes haben nichts mit Faulheit zu tun. Die Motorhilfe ermöglicht längere Strecken. Sie fahren plötzlich problemlos 10 Kilometer zum Einkaufen. Für viele war das früher eine Radtour für das Wochenende.“ 2017 wurden in Deutschland 720.000 E-Bikes verkauft, davon war jedes fünfte ein Mountainbike.
Ein Trend wird zum Alltag
Diese Tendenz bestätigt Carola Greiner: „Es wird immer mehr Alltag, das E-Bike zu benutzen. Damit radle ich abends kurz zur Tennishalle. Früher hätte ich das Auto genommen. Sogar meine Schwiegermutter mit 76 Jahren fährt dank E-Motor-Unterstützung wieder Rad. Für sie ist damit eine völlig neue Lebensqualität verbunden.“
Auch Klaus Leidemer legt zu seinem Fahrradpensum in seiner Freizeit noch eine Schippe drauf. Dreimal die Woche fährt er von Flörsheim-Dalsheim nach Osthofen, das sind dann noch 12 Kilometer zusätzlich zum Arbeitsweg. „Ich war schon immer sportlich, aber früher hätte ich das nicht gemacht.“ 1.000 Kilometer fährt er monatlich ungefähr. Doch es gibt eine Ausnahme: eisige Temperaturen. „Da muss ich gestehen, wenn man mit 30 km/h unterwegs ist, sind 4 Grad sehr, sehr kalt. Das macht keinen Spaß. Da nehme ich dann das Auto.“ Doch auch hier ist er konsequent. Er fährt einen Audi A3 e-tron Hybrid mit E-Motor.
